Bildungspolitik 16.09.2021

GEW-Aktion gegen Lehrermangel in Remscheid

Aktionsstand von 14 - 15 Uhr auf der Alleestraße - Höhe Brunnen

Der akute Lehrermangel verhindert Bildungschancen für die Kinder

Min.

Die GEW Remscheid macht mit ihrer Aktion auf den chronischen Lehrermangel mit 40 lebensgroßen Figuren aufmerksam. Sie stehen symbolisch für die 4000 fehlenden Lehrkräfte an den NRW-Schulen, davon allein 1.450 an den Grund- und mehr als 600 Lehrkräfte an den Förderschulen. Sie fehlen natürlich im Unterricht, aber auch bei der Klassenfahrt, beim Bilden von Persönlichkeiten, für die individuelle Förderung und insgesamt für gute Schule.

Jede der 40 Figuren steht symbolisch für 100 fehlende Kolleg*innen in den Klassenzimmern.

#IhrFehlt

  • für Verlässlichkeit  
    Grundschulkinder brauchen feste Bezugspersonen, die sie verlässlich begleiten.
  • für gelingende Übergänge
    An den Grundschule geht es um den Übergang aus der Kita. Hier entscheidet sich, ob der Schulstart gelingt. Auch der gelingende Übergang zur weiterführenden Schule gestaltet sich zunehmend schwierig.
  • für starke Schüler*innen
    Es macht Kinder stark, wenn sie in der Schule erleben, was sie alles können. Dafür braucht es genügend ausgebildetes Personal.
  • für individuelle Förderung
    Besonders hier fehlen uns Kolleg*innen!

Für befristete Einstellungen („Verena“-Vertretungskräfte) - z.B. als Ersatz für eine Lehrkraft in der Elternzeit - stehen meist keine ausgebildeten Grundschullehrkräfte mehr zur Verfügung. Diese befristet Beschäftigten haben in der Regel keine Lehramtsausbildung. Viele sind sehr engagiert. Doch ihnen wird eine systematische Qualifizierung in jeglicher Form verweigert, und sie dürfen keine Qualifizierungskurse besuchen. Das ist nicht hinnehmbar.

Die Landesregierung erhebt dabei nicht einmal die Zahl der befristet Beschäftigten und toleriert zugleich, dass diese an den Schulen jegliche Aufgaben übernehmen müssen, zum Beispiel Klassenleitungen, ohne dafür ausgebildet zu werden. Vom "Stammpersonal" wird erwartet, dass sie diese "Seiteneinsteiger*innen"  umfassend unterstützen. So soll das System funktionieren. Die soziale Haltung der ausgebildeten Kolleg*innen wird ebenso ausgenutzt wie die Vertretungskräfte, denen die berufliche Perspektive vorenthalten wird.

Eigentlich gibt es einen flexiblen Vertretungspool, in dem Lehrkräfte mit unbefristeten Verträgen beschäftigt werden, die an wechselnden Schulen aushelfen sollen, wenn es dort zu einem Personalausfall kommt. Allerdings sind fast alle Poolkräfte – in anderen Branchen würde man von Springer*innen sprechen - und stehen für kurzfristige Vertretung nicht zur Verfügung.

So zeigt sich Lehrkräftemangel an Grundschulen als vorprogrammierter Mangel, wenn junge Kolleg*innen Eltern werden oder Kolleg*innen erkranken. Das ist nicht hinnehmbar und muss anders werden.

Noch gravierender ist der Mangel an Sonderpädagog*innen, sie fehlen an den Grundschulen für das Gemeinsame Lernen. Dabei ist es wichtig, die Kinder frühzeitig umfassend zu fördern, damit sich z.B. Probleme beim Lernen nicht verfestigen.

Wieso läuft es überhaupt noch einigermaßen rund an den Grundschulen?

Die GEW Remscheid hat dafür diese Antworten gefunden:

  • Es fällt vieles weg, was Bildung gut macht: Förderangebote, Neigungsgruppen, intensive Sprachförderung, besondere Unterstützung an den Schulen, wo sie besonders nötig ist, Doppelbesetzung im Gemeinsamen Lernen  
  • Die Stundentafel wird aufs Minimum reduziert.
  • Von einer Klassengröße, die Grundschulkindern gerecht wird, sind wir weit entfernt.
  • Kolleg*innen leisten Mehrarbeit.
  • Sozialpädagog*innen übernehmen Aufgaben, für die sie nicht ausgebildet sind und die sozialpädagogische Förderung am Schulanfang wird reduziert.

Leidtragende sind die Schüler*innen und hier insbesondere die Kinder, bei denen das Elternhaus schulische Defizite nicht kompensieren kann. Die soziale Spaltung nimmt zu. Das ist eines reichen Landes wie Deutschland nicht würdig und muss endlich ein Ende finden.

Für Kolleg*innen bedeuten diese Situationen:

  • Fachliche Überforderung, wenn die Ausbildung fehlt.
  • Zeitliche Überforderung, weil der Bereich Arbeit sich zuungunsten des Privatlebens immer mehr ausdehnt.
  • Emotionale Überforderung, weil das Gefühl, den Kindern nicht gerecht werden zu können, übermächtig wird.
  • Letztlich Gefährdung der eigenen Gesundheit.
  • Eins ist klar: Unterbesetzung gefährdet die Bildung.

„Lehrkräftemangel bedeutet ein Leben lang verpasste Chancen. Er verhindert, dass wir in kleineren Klassen verlässlich und individuell beste Bildung bieten können. Er verhindert, dass junge Menschen bestmöglich ihren Weg gehen können. Er verhindert echte Chancengleichheit und verstärkt die soziale Schieflage im Bildungssystem“, betont Ayla Çelik, Vorsitzende der GEW NRW. „Ausbaden müssen das die Schüler*innen, denn wir legen ihnen damit Steine in den Lebensweg. Ausbaden müssen es auch die Kolleg*innen mit hoher Belastung, großen Klassen und zusätzlichen Aufgaben. Viele Lehrkräfte gehen deshalb weit über ihre Grenzen, damit Kinder und Jugendliche nicht im Regen stehen. Sie springen dauerhaft in die Bresche. Das kann nicht gut gehen.“

Die Bildungsgewerkschaft fordert deshalb, die gemachten Versprechen einzulösen. „Wir müssen dafür sorgen, dass mehr Menschen sich für den Beruf als Lehrkraft entscheiden, vor allem an einer Grund- oder Förderschule. Marketingkampagnen müssen scheitern, wenn sie nicht die Wurzel des Problems angehen. Deshalb muss die verfassungswidrige Besoldung enden und eine gleiche Bezahlung aller Lehrkräfte erfolgen: A 13 Z/EG 13 im Einstiegsamt.

Wir brauchen größere Studienkapazitäten, um mehr ausgebildete Lehrer*innen für die Schulen zu gewinnen. Seiteneinsteiger*innen dürfen nicht allein gelassen werden: Umfangreiche Qualifizierungen, eine Beschäftigung mit langfristiger Perspektive und angemessener Bezahlung sind die Stellschrauben, an denen die Ministerin und die künftige Landesregierung drehen müssen.“


In aller Kürze – wir fordern:

  • Studienplätze Sonderpädagogik und Grundschule ausbauen
  • Qualifizierungsinitiative für berufsbegleitende Aus- und Fortbildung
  • Versorgung mit ausreichend qualifiziertem Personal an jeder Schule sicherstellen
  • Zusätzlicher Einsatz weiterer pädagogischer Professionen (Multiprofessionalität)
  • Attraktivität steigern: alle Lehrkräfte gleich bezahlen (A13Z/EG13)